Machtwechsel in Paraguay

Der rosarote Bischof

Der katholische Befreiungstheologe Fernando Lugo hat in Paraguay einen historischen Wahlsieg errungen. Mit zehn Prozentpunkten Vorsprung gewann der 56-jährige Kandidat einer Mitte-Links-Allianz Klar vor Blanca Ovelar von der Colorado-Partei, die seit 61 Jahren regiert. Paraguay steht vor dem ersten demokratischen Machtwechsel seiner Geschichte. Am 15. August übernimmt der "Bischof der Armen" das höchste Staatsamt.

Was in Paraguay noch vor wenigen Jahren unmöglich schien, ist jetzt Wirklichkeit geworden: Die konservative, zutiefst korrupte Colorado-Partei stellt ab August nicht mehr den Präsidenten – zum ersten Mal seit 61 Jahren. Ebenso bemerkenswert: Der neue Hoffnungsträger ist nicht ein Ex-Gewerkschafter, ein Indigena oder eine Linksliberale, wie bei manchen bejubeltem Wahlerfolg des fortschrittlichen Lagers in Südamerika des 21. Jahrhunderts. Sondern ein Bischof, der stark von der Befreiungstheologie geprägt wurde, der 56-jährige Steyler Missionar Fernando Lugo.

Hilfe für die Armen

Zu Beginn seiner Regierungszeit im August will der charismatische Kirchenmann mit dem silbergrauen Vollbart den Indigenas helfen, die im Elend leben, so hat er es nach seinem überraschend deutlichen Sieg am 20. April erneut versprochen. Darüber hinaus steht Lugo vor weiteren schwierigen Aufgaben. Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre geht vor allem auf die hohen Weltmarktpreise für Soja zurück, denn Paraguay ist der viertgrößte Exporteur des Futtermittels. Doch diese Gewinne wanderten fast vollständig in die Kassen brasilianischer Unternehmer oder von Agrarkonzernen des Nordens.

Die Lage in den Krankenhäusern, Schulen und Armenvierteln des Sechs-Millionen-Landes ist desolat. Wie ein Krebsgeschwür hat sich die Korruption ausgebreitet. "nie wieder soll mit Vetternwirtschaft und Postengeschacher Politik gemacht werden", verkündete Fernando Lugo in der Wahlnacht. Genau diese Praktiken sind aber auch bei den Liberalen verbreitet, der mit Abstand gewichtigsten Kraft in seiner "Patriotischen Allianz für den Wandel" aus neuen Parteien und 20 Basisorganisationen. Der künftige Vizepräsident gilt zwar al integer, aber unter seinen gewählten Parteifreunden im Kongress dominieren die Politiker alten Schlages. Zum Regieren braucht Politneuling Lugo zudem Abtrünnige aus dem Lager der Rechten, der Colorados oder der Unace-Partei des schillernden Generals Limo Oviedo.

Die Bauernbewegung hingegen, der Keim einer neuen, basisorientierten Linken und die politische Heimat Fernando Lugos, haben keine parlamentarische Erfahrung. Ihre Partei, Tekojoja (Guarani für Gleichheit) wird gerade einen der 45 Senatoren stellen. Lugo muss seine heterogene Mitte-Links-Allianz von einem Wahl- zu einem funktionierenden Regierungsbündnis zusammenschweißen.

Eine "integrale" Landreform, wie er sie plant, wird Jahre in Anspruch nehmen. Zunächst einmal müssen die staatlichen Behörden halbwegs effizient arbeiten. Die gegensätzlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen, ist noch schwieriger. Bislang nämlich stehen Landlose und Kleinbauern den Agrarunternehmern in einem explosiven Konflikt gegenüber, bei dem auch noch mächtige Mafiagruppen ihre Finger im Spiel haben. Lugo will neue Arbeitsplätze schaffen, um auch jenen zwei Millionen ParaguayerInnen, die ausgewandert sind, wieder eine Perspektive zu bieten.

Außenpolitisch hat es der frischgebackene Präsident ebenfalls nicht einfach. Seine Kollegen aus den Nachbarländern, der Brasilianer Luiz Ignacio Lula da Silva, die Linksperonistin Christina Fernández Kirchner aus Argentinien oder der bolivianische Staatschef Evo Morales, gehören zwar alle dem fortschrittlichen Lager an. Die jüngste Geschichte der Wirtschaftsunion Mercosur zeigt jedoch, dass die Regionalmächte Brasilien und Argentinien zuallererst die Interessen ihrer eigenen Unternehmerschaft vertreten.

Gerechte Preise

Lugos Forderung nach "energiepolitischer Souveränität" mag noch so berechtigt sein: Die Verhandlungen um die Gewinne aus der Wasserkraft des Grenzflusses Paraná dürften sich monate-, wenn nicht jahrelang hinziehen. Von Brasilien und Argentinien fordert er höhere, wie er sagt 'gerechte' Preise für den überschüssigen Strom, den Paraguay aus seinem Anteil der Riesenstaudämme von Itaipu und Yacyretá an die Nachbarn abtritt. Dieses Geld braucht Lugo für seine dringenden Sozialreformen. Andererseits kommt ihm der "Linksruck" entgegen, der den Subkontinent in den letzten Jahre erfasst hat. Während sich Brasiliens Staatschef Lula noch betont distanziert gab, sandte sein Außenminister Celso Amorim bereits positive Signale in Richtung Asunción. Brasilien wolle nicht als "imperialistisches Land" dastehen, das nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sei, versicherte Lulas Chefdiplomat.

Besonders eng sind die Beziehungen von Lugo und seinen MitstreiterInnen zu den seit drei Jahren in Uruguay regierenden Linken der "Frente Amplio". Sie stellten das größte Kontingent der WahlbeobachterInnen, die dazu beitrugen, dass es diesmal nicht zum befürchteten Wahlbetrug kam. Auch vom Temperament her gibt es Parallelen zwischen Fernando Lugo und dem gemäßigten Tabare Vázquez: Polarisieren ist nicht ihr Metier.

Sieg der Befreiungstheologie

Last but not least ist Lugos Triumph der bislang deutlichste politische Sieg der Befreiungstheologie. Nach seiner Priesterweihe 1977 verbrachte er fünf Jahre in Ecuador, wo der legendäre "Indianer-Bischof" Leonidas Priano sein wichtigster Lehrmeister wurde. Anschließend studierte er Theologie und Soziologie in Rom. Besonders der partizipative Ansatz der Befreiungstheologie, wo den Laien viel Platz eingeräumt wird. Liegt ihm am Herzen. In der ländlichen Diözese San Pedro, wo er von 1994 bis 2005 als Bischof wirkte, machte er die "Erfahrung von über Tausend kirchlichen Basisgemeinden", wie er in einem Interview sagte. "Da kann keiner ein anonymer Christ sein, man muss in die Gemeinschaft hineingehen. Unsere Regierung wird auch demokratisch und partizipativ sein, alle Bevölkerungsschichten sollen sich beteiligen.

Der Vatikan verfolgt die politische Karriere Fernando Lugos mißtrauisch.

Anfang 2007 hatte Lugo sich mit den Worten "das ganze Land wird meine Kathedrale sein" zu seinen Präsidentschafts-Ambitionen bekannt, ließ ihn der Papst vom Priesteramt suspendieren. Dies war ausdrücklich als Sanktion gedacht. Im Lande selbst weiß der rosa-rote Bischof jedoch die meisten seiner Kollegen hinter sich.

Logo CUBA LIBRE Gerhard Dilger ist Journalist. Er arbeitete u.a. in verschiedenen
deutschsprachigen Medien und lebt in Porto Alegre/Brasilien.
Aus: Presente, bulletin der CIR 2/2008

CUBA LIBRE 3-2008