Kuba und die Pandemie

Impfstoffimperialismus oder gemeinwohlorientierte Medizin.

Über 500 Millionen Menschen haben sich bisher mit COVID-19 infiziert, über 6 Millionen sind bisher an oder mit dem Virus gestorben. Arme trifft es mehr als Reiche, Farbige mehr als Weiße. Und das liegt nicht am Virus. Was sind die Ursachen, was könnte die Lösung für eine gerechtere medizinische Versorgung sein?

Die kapitalistische Variante


Klar geworden ist, dass der kapitalistische Wettbewerb eine ausreichende Produktion von Impfstoffen und deren gerechte Verteilung verhindert. Die Pharmakonzerne und damit der Markt sind an Gewinnen interessiert und an der Entwicklung von lukrativen Medikamenten, den Blockbustern, nicht an einer guten und ausreichenden Versorgung der Weltbevölkerung. Hinzu kommt die zunehmende Privatisierungen im Gesundheitswesen, das ebenso gewinnorientiert ist. Diese Strukturen führten zu institutionellem und ideologischem Versagen mit all den bekannten Komplikationen. Hinzu kommt, dass die kapitalistischen Staaten nicht bereit waren und sind, die Interessen der Pharmagiganten und den biomedizinischen Sektor zu zügeln und zumindest in der Pandemie ihr Verhalten im Sinne des Gemeinwohls zu priorisieren. Stattdessen machte man weiter wie bisher und ließ sich auf einen Wettlauf der Staaten um die Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapeutika ein. Und alles im Dienste privater Profite.

Sowohl die USA mit Moderna, Deutschland mit BioNTech als auch England mit Astra Zeneca unterstützten ihre jeweiligen Platzhirsche mit Beträgen bis zu 1/2 Milliarde €. Das heißt, dass die mit hohen öffentlichen Mitteln geförderte Grundlagenforschung an Universitäten und medizinischen Forschungslaboren stattfand, deren Ergebnisse aber von BigPharma abgeschöpft, benutzt und vermarktet wurden. BigPharma konnte dann die Preise für die Impfstoffe weitgehend selbst festsetzen und auch die Riesengewinne abschöpfen. So wurde der Bürger zweimal zur Kasse gebeten.

Märkte mit landwirtschaftlichen Produkten

Beatriz Paredes Moreno und Meiby de la Caridad Rodríguez González vom Instituto Finlay de Vacunas waren an der Entwicklung des Impfstoffs Soberana beteiligt
Foto: Ismael Francisco/ Cubadebate



Mit diesem Wettbewerbswildwuchs war auch keine vernünftige weltweite Koordinierung der Impfstoffentwicklung und -produktion möglich. Die Aufgabe wäre eigentlich gewesen, dafür zu sorgen, dass man die ganze Weltbevölkerung von fast acht Milliarden Menschen zeitnah geimpft hätte, was mit den labilen RNA-Impfstoffen eh nur eingeschränkt möglich gewesen wäre. Um dieses Ziel zu erreichen, hätten die Patente freigegeben und/oder großzügig günstige Lizenzen vergeben werden müssen. Und man hätte alle Produktionsstätten für Impfstoffe weltweit einbeziehen müssen.

Das ist nicht erfolgt, da es nicht den Gesetzen des Marktes und der Profitmaximierung entsprach.



Auch die teilweise hochgelobte COVAX-Initiative, die wesentlich von der WHO und einem ihrer Hauptförderer, der Bill und Melinda Gates Foundation, ins Leben gerufen wurde, ist im Grunde nur ein neoliberales Feigenblatt, da die angebotenen Dosen, die teilweise von ärmeren Ländern gekauft werden mussten, längst nicht ausreichten und die Monopolbildung der Topproduzenten noch ausbaute.

Im Grunde ist die Pharmaindustrie mit ihrer kapitalistischen Logik kaum an der Entwicklung von neuen Impfstoffen interessiert. Das ist ihnen zu risikoreich und zu wenig lukrativ. Nur die starken staatlichen Förderungen ließ sie bei dem Rennen mitmachen. Denn es kommt darauf an, einer der ersten zu sein und dann richtig Kasse zu machen, nach dem Motto "The winner takes ist all". Deshalb hatte man bei den Zulassungsstudien auch auf Bewertungskriterien geachtet, die nicht so viel Zeit in Anspruch nahmen. So prüfte man, ob der Impfstoff vor einer leichten Infektion schützte und nicht vor Krankenhausaufenthalt und Tod. Ferner waren ältere Menschen in den Studien unterrepräsentiert. Und Moderna und BiONtech/Pfizer, also gerade die Firmen ohne größere Erfahrungen bei der Impfstoffherstellung, verkürzten den Abstand für die notwendige Zweitimpfung auf einen Zeitraum von nur vier Wochen, um Zeit zu sparen. All dies führte dazu, dass Pfizer/BioNTech am 11. Dezember 2020 als erstes Unternehmen die Notfallzulassung bekam und damit das Rennen gewann. Unternehmen mit der größten Erfahrung und den größten Produktionskapazitäten wie Merck und GSK-Sanofi zogen sich zurück - ein Schritt, der letztlich eine Verknappung der Impfstoffe bewirkte.

Interessant ist es, in diesem Zusammenhang auf die WHO-Kriterien für Impfstoffe zu schauen, die 2020 in einem Target Product Profile, TPP, festgelegt wurden, aber leider nicht bindend sind:

- Eignung für alle Altersgruppen, auch für Kinder und gebärfähige Frauen
- Keine schweren Nebenwirkungen
- Wirksamkeit mindestens 70 Prozent
- Einmalige Verabreichung
- Schutz für ein Jahr oder länger
- Stabilität bei höheren Temperaturen
- Schnelle Produktion in ausreichenden Dosen
- Verfügbarkeit zu niedrigen Kosten Leider wurden diese Ziele von

den führenden Impfstoffherstellern krachend verfehlt. Die weltweit eingesetzten Impfstoffe sind meist zu instabil, zu teuer und weltweit nicht in ausreichender Menge verfügbar.

Die sozialistische Variante

Kubas Weg ist ein anderer. Hier spielen die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen die erste Rolle, nicht der Profit. So bereitete man sich rechtzeitig auf die Pandemie vor, entwickelte Impfstoffe (fünf an der Zahl!), Notfallpläne und auch Medikamente gegen die Pandemie. Dies hatte zur Folge, dass die Letalität an COVID 19 lange eine der niedrigsten weltweit war und noch ist. Die Impfungen begannen zugegebenermaßen etwas später als in anderen Ländern, weil es vor allem durch die US-Blockade an Spritzen und Kanülen für die Impfungen und an Materialien, wie Spezialfilter für die Impfstoffherstellung und die Konfektionierung, fehlte. Natürlich spielte auch die coronabedingte Wirtschafts- und Finanzkrise Kubas hierbei eine Rolle. Eine Besonderheit in Kuba ist auch die hohe Durchimpfungsrate und die Impfbereitschaft der Kubanerinnen und Kubanern, die großes Vertrauen in das eigene Gesundheitswesen haben und mit den Familienärztinnnen und Familienärzten Tür an Tür wohnen, denen sie auf Augenhöhe begegnen. Hierzulande, besonders aber in den USA, herrscht ein großes Misstrauen gegenüber den staatlichen Stellen vor, die oft zu eng mit der Pharmaindustrie und deren Profitinteressen verwoben sind. In den USA kommt noch hinzu, dass in der Vergangenheit nicht selten Frauen, Behinderte und Farbige als Versuchspersonen für medizinische Studien missbraucht wurden. Das kubanische Modell zeigt deutlich, wie wichtig es ist, ein starkes öffentliches Gesundheitssystem zu haben und die Forschungsinstitute und die pharmazeutische Industrie im staatlichen Sektor zu behalten oder anzusiedeln. Der Mensch muss immer vor dem Profit stehen. Und Gesundheit und Zugang zu medizinischer Versorgung darf nicht nur ein Kennzeichen wohlhabender Länder sein. Denn niemand ist sicher, solange wir nicht alle sicher sind. Zumindest diese Binsenwahrheit sollten wir berücksichtigen.

Die aktuelle Lage in Kuba an der Coronafront

Bis zum 25.4.2022 gab es in Kuba 1.101.968 Coronafälle und 8.525 an oder mit Corona Verstorbene, am 25.4. wurden 237 Neuerkrankungen und 1 Todesfall registriert. Die Letalität ist nach wie vor niedrig und betrug zuletzt 0,78 Prozent. Bis zum 28. März 2022 waren 89,4 Prozent komplett (dreifach) geimpft, 93,9 Prozent mindestens ein mal, 55 Prozent geboostert. Auch die Unterlagen des kubanischen Impfstoffes Abdala wurden inzwischen zwecks Zulassung bei der WHO eingereicht. Abdala und Soberana 02 sollen in diesem Jahr noch in größeren Mengen exportiert werden, eine große Chance für Kuba, um an Devisen zu kommen. Mambisa, einer von elf nasalen Impfstoffen weltweit, befindet sich derzeit in Kuba als Kandidat für Auffrischungsimpfungen in der Endphase der klinischen Prüfung und soll zunächst eine Notfallzulassung erhalten. Insgesamt haben sich die kubanischen Impfstoffe bisher sehr gut bewährt, auch bei der Omikron- und Deltavariante des Virus. Kubanische Impfstoffe sind bisher im Iran, in Indien, Nicaragua, Mexiko, Vietnam, Argentinien und Venezuela eingesetzt worden oder stehen dort kurz vor dem Einsatz. Kuba ist grundsätzlich auch bereit, einen umfassenden Technologietransfer mit den Ländern des Südens zu erlauben, also diesen Ländern die Möglichkeit zu geben, den Impfstoff selbst komplett zu produzieren. Dies steht in totalem Gegensatz zur Impfpolitik der reichen Industrieländer, die eben nicht ihr Knowhow weitergeben wollen. Nicht einmal zu einer Ausnahmeregelung zum TRIPS-Abkommen sind sie bereit, also zu einem Aussetzen ihrer Patentrechte. Auch die WHO hat großes Interesse an den kubanischen Produkten, weil diese eine größere Stabilität haben und nicht besonders gelagert und gekühlt werden müssen. Mit chinesischen Wissenschaftlern zusammen wird weiterhin intensiv in Yongzhou in der chinesischen Provinz Hunan an neuen Vakzinen für weitere mögliche Virusvarianten geforscht. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hat die Entwickler der kubanischen Impfstoffe kürzlich mit der WIPO-Medaille für Erfinder ausgezeichnet.

Reisen nach Kuba

Soberana

Quelle: Cubadebate


Seit dem 6. April 2022 besteht keine Pflicht zum Nachweis eines negativen PCR-Tests sowie eines Covid-Impfzertifikats für die Einreise mehr. Es können also auch ungeimpfte Reisende ohne vorherigen Test auf der Insel Urlaub machen. Grund für diese Entscheidung ist wesentlich "die internationale und nationale epidemiologische Situation von COVID-19 und das erreichte Impfniveau in Kuba". Es soll nur noch stichprobenartige Testungen an den Flughäfen für Patienten aus Risikogebieten geben. An der bestehenden Maskenpflicht wird weiter festgehalten. Bereits im Februar 2022 wurde Kuba durch das Robert-Koch-Institut von der Liste der Hochrisikogebiete gestrichen. Bis Ende 2022 plant Kuba mit insgesamt 2,5 Millionen Touristen.


CUBA LIBRE Dr. Klaus Piel

CUBA LIBRE 3-2022