Die Mühen mit dem Internet

Internationale Medien berichten häufig über die schlechte Verfügbarkeit von Internetzugängen in Kuba. Und nach Darstellung vieler US-Politik­institute ist das Internet dort in hohem Maße unfrei. In einem von der neoliberalen US-Stiftung »Freedom House« erstellten Index über die »Freiheit des Internets« wird Kuba mit 84 von 100 Punkten (wobei 0 die bestmögliche Bewertung darstellt) ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Begriffe wie »Zensur«, »Abschottung« und »Gängelung« prägen die Terminologie vieler Medien in bezug auf die Internetpolitik der kubanischen Regierung. Doch wie ist es auf der Insel tatsächlich um die Verfügbarkeit des Internets bestellt?

Trotz gegenteiliger Behauptungen sind Netzwerke und Internet für Kubaner kein Neuland. Die Anfänge reichen zurück bis ins Jahr 1983. Damals wurde die Insel erstmals mit einem internationalen Netzwerk verbunden. Via Satellitenverbindung nach Moskau hing Kuba am dortigen IASnet. Im selben Jahr wurde das kubanische Netzwerkinstitut CENIA aus der Taufe gehoben und 1987 – auf Initiative Fidel Castros – der »Joven Club de Computación y Electrónica« (JCC) gegründet. Die Jugendcomputerklubs sollten zu einer gleichmäßigen Verbreitung von PC- und Internetkenntnissen auf der Insel führen. Zu Beginn hatten sie Einrichtungen in 130 Städten des Landes, heute gibt es gut 600 solcher Klubs. 1992 bekamen 30 der JCCs einen Onlinezugang via Modem, kubanische Jugendliche erhielten die Möglichkeit, sich kostenlos eine E-Mail-Adresse einzurichten. Das Budget der JCC betrug über 500.000 US-Dollar pro Jahr.

Bis Mitte der 1990er Jahre entwickelte sich Kuba so zu einer der »führenden Kräfte des Netzwerkens in der Karibik«, bestätigt der US-amerikanische Informatiker Larry Page. Doch die Auswirkungen der US-Blockade machten sich bemerkbar. Kuba wurde der Anschluss an die Unterseekabel in der Karibik verweigert. Die Insel war auf teure Satellitenverbindungen angewiesen, die zudem über geringe Bandbreite verfügten. In der Folge verlor das Land langsam, aber sicher den Anschluss an die weltweite Entwicklung. So war die gesamte Up- und Download-Bandbreite Kubas noch im Jahr 2009 vergleichbar mit der einer deutschen Kleinstadt. In den 2000er Jahren konzentrierte das Land sich vor allem auf den Ausbau des eigenen Intranets, das mit dem Wikipedia-ähnlichen »EcuRed« inzwischen über eine eigene Enzyklopädie mit über 100.000 Artikeln verfügt. Der Ausbau des Zugangs zum weltweiten Netz stagnierte jedoch, und die hohen Preise von bis zu neun US-Dollar pro Stunde machten das Internet für die meisten Kubaner unerschwinglich und unattraktiv.

Das änderte sich erst 2013, als Kuba mit einem aus Venezuela verlegten Unterseekabel verbunden wurde und damit erstmals die Satellitenverbindungen durch eine tausendfach höhere Bandbreite ablösen konnte. Wenig später gab die staatliche Telefongesellschaft Etecsa die Eröffnung von mehreren Dutzend WiFi-Netzen bekannt, die Preise wurden auf zwei US-Dollar pro Stunde gesenkt. Mittlerweile gibt es landesweit mehrere Hundert öffentliche WiFi-Hotspots.

Obwohl der Preis von zwei US-Dollar pro Stunde noch immer extrem hoch ist, zählt das Land heute Millionen Nutzer. Die Regierung erklärte, das Internet sei »ein Recht aller«. Diese Ressource müsse »verfügbar, erreichbar und für alle erschwinglich« gemacht werden, sagte der erste Vizepräsident Miguel Díaz-Canel. Hierzu zähle auch die Einrichtung von privaten Hausanschlüssen, die als Pilotprojekt zunächst in Havannas Altstadt eingerichtet werden. Trotzdem kommt der Ausbau des Internets verhältnismäßig langsam voran. Die Priorität liegt auf gesellschaftlichen Institutionen wie Schulen, Krankenhäusern, Behörden und Universitäten, weniger auf Privatzugängen. Das hat meist praktische Gründe: Neben technischem Knowhow fehlen schlichtweg die materiellen Ressourcen, um erschwingliche Heimanschlüsse für die mehr als vier Millionen Haushalte zu garantieren.

Doch wie sieht es mit der Zensur in Kuba aus? Ich habe mir zu diesem Thema – während meines knapp einjährigen Aufenthalts – an verschiedenen WiFi-Hotspots ein eigenes Bild machen können: Während die Website der aus dem Ausland finanzierten Systemgegnerin Yoani Sánchez blockiert war, ließ sich über das staatliche WiFi-Netz auf praktisch jede andere oppositionelle Website zugreifen. Auch gab es keinerlei Schwierigkeiten, internationale Nachrichten abzurufen. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube sowie die ausländischen Websites der BBC, der New York Times, des Economist, der spanischen El País und von Wikipedia waren zu keinem Zeitpunkt blockiert. Suchergebnisse nach regierungskritischen Inhalten ließen sich ohne Probleme aufrufen, und auch zu kritischen Fragen wie »Korruption in Kuba« oder »Gerüchte über die Castro-Familie« konnte recherchiert werden – ausländische Websites, die sich mit diesen kontroversen Themen befassen, waren stets abrufbar. Doch es gibt auch Einschränkungen. Da Pornographie in Kuba verboten ist, sind zum Beispiel Websites mit pornographischen Inhalten nicht abrufbar.

Während von kubanischer Seite also kaum Inhalte blockiert werden, lässt sich beim Surfen auf der Insel eine andere Beobachtung machen, die Fragen mit Blick auf die USA aufwirft. Sucht man von Kuba aus nach Produkten US-amerikanischer Softwarehersteller, offenbart sich die digitale Dimension der Wirtschaftsblockade. Versucht man beispielsweise einen Treiber von der Seite des Chipherstellers Intel herunterzuladen, erscheint die Fehlermeldung, der gewünschte Service sei »aufgrund von US-Exportbestimmungen« nicht verfügbar. Auch Software aus den Vereinigten Staaten kann aus diesem Grund nicht in Kuba bezogen werden. Vom Onlinehandel sind Kubaner komplett ausgeschlossen, da Pay-Pal – mit Verweis auf US-Gesetze – ebenfalls blockiert ist. Über E-Bay dürfen bis heute weder kubanische Produkte vermarktet noch Waren nach Kuba geliefert werden. Der Einkauf von digitalen Inhalten wird dadurch praktisch unmöglich. Einziger Ausweg ist der Erwerb von im Land zirkulierenden Raubkopien.

Während die kubanische Regierung bemüht ist, das Internet günstiger und breit verfügbar zu machen, blockieren die Vereinigten Staaten noch immer deren Entwicklung. US-Technologiegiganten wie Google, Microsoft und Apple können ihre Dienste nur unter starken Einschränkungen anbieten, während andere Hersteller ganz außen vor bleiben. Weder lässt sich von Kuba aus ein Mac-Book aktualisieren noch ein Intel-Treiber herunterladen. Mit absurden Gesetzen verhindern die USA so, dass die wachsende Zahl kubanischer Internetnutzer normale Erfahrungen im Netz machen kann. Von einem »freiem Internet« kann in Kuba aus diesem Grund tatsächlich nicht die Rede sein. Ob die digitale Netzblockade der USA im Ranking des »Freedom House« berücksichtigt wurde, ist fraglich. Für die Mehrzahl der kubanischen Internetnutzer dürften diese Einschränkungen jedoch weitaus schwerer wiegen als Sperrlisten der eigenen Regierung.

Marcel Kunzelmann

Kuba im Wandel. 16 Erfahrungsberichte, hg. von Volker Hermsdorf, Paula Klattenhoff, Lena Kreymann und Tobias Salin. Verlag Wiljo Heinen, Berlin/Böklund 2017, 10 Euro.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Kuba im Wandel
Junge Welt, 15.05.2017