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Nachrichten aus und über Kuba

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Kuba: Revolutionäre und Rebellen

Wie sich die sozialistische Volkspartei und Fidel Castros "M-26-7" zusammenrauften

Auf der diesjährigen Buchmesse von Havanna – einem wahren Großereignis – hat der in Santiago angesiedelte Verlag Oriente den letzten Band einer Trilogie von Angelina Rojas zur Geschichte der ersten Partei der kubanischen Kommunisten vorgestellt. Er berührt ein heißes Thema, das nicht nur unter Kubas Revolutionären lebhafte Diskussionen ausgelöst hat: Das Verhältnis zwischen Fidel Castros Rebellen und der seinerzeitigen Sozialistischen Volkspartei (Partido Socialista Popular – PSP). Die Erörterung dieser Frage ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil zahlreiche PSP-Mitglieder nach dem Triumph der Revolution im politischen Leben Kubas eine bedeutende Rolle gespielt haben. Diese wird – je nach Standort des Betrachters – durchaus unterschiedlich bewertet. Während die einen den Anteil der Kommunisten am revolutionären Sieg zu übertreiben geneigt sind, suchen ihn andere bewußt herunterzuspielen. Einige Gegner Fidels haben überdies beharrlich versucht, dem Führer der kubanischen Revolution zu unterstellen, er sei schon lange vor dem Einmarsch in Havanna ein „verdecktes Mitglied der PSP“ gewesen. Angelina Rojas, die am Institut für Geschichte Kubas der hauptstädtischen Universität forscht, gebührt das Verdienst, bislang wenig bekannte Geschehnisse und Zusammenhänge beleuchtet zu haben.
Der Dritte Band ihres voluminösen Werkes wurde übrigens allen Delegierten des 6. Parteitages der KP Kubas (PCC), der im April in Havanna stattfand, als Geschenk überreicht.

Während die ersten beiden Bände die Anfänge der kommunistischen Bewegung Kubas in den 20er Jahren bis zum Coup des Diktators Batista im März 1962 darstellen, beschäftigt sich Band 3 mit der Reaktion der PSP auf diesen Putsch und ihrer Rolle während des sich anschließenden Kampfes, der schließlich im Sieg der von Fidel Castro geführten Barbudos gipfelte. Dies überaus spannende Geschehen wird – gestützt auf solide Recherchen, umfangreiche Archivforschungen und die Aussagen zahlreicher Zeitzeugen – detailliert dargestellt, wobei die Beziehungen zwischen der PSP und Castros Bewegung des 26. Juli (M-26-7) im Mittelpunkt stehen.

Nach seinem Putsch bewegte isch Batista anfangs noch vorsichtig, was der Opposition – darunter auch den Kommunisten – einen gewissen Spielraum ließ. Unter diesen Bedingungen wandte sich die PSP entschieden gegen die Taktik des bewaffneten Kampfes. Sie stellt dem, was sie als individuellen Terror und Putschismus ansah, ihre Akzentsetzung auf massengestützte Aktionen entgegen. Als Fidel und seine Freunde dann am 26. Juli 1953 ihren legendären Sturm auf die Moncada-Kasern unternahmen, verurteilte die PSP diese Attacke als pseudolinkes Abenteurertum. Während sich der Überfall in Santiago de Cuba im nachhinein auszahlte, mußte er in der konkreten Situation jener Zeit tatsächlich als sinnloses Unterfangen erscheinen.

Zwischen 1953 und der Rückkehr Fidels mit der berühmten „Granma“ (Ende 1956) konzentrierte sich die PSP auf die Formierung von Kadern einer nun illegalen Organisation unter den Bedingungen der sich rabiat verschärfenden Repression Batistas. Diese Haltung erfuhr nach dem Beginn des Guerillakampfes in der Sierra Maestra eine Modifizierung. Kubas Kommunisten, die nach wie vor für Massenaktionen plädierten, wurden – zur Zielscheibe extremer Gewalt, vor allem auch von irregulären Todesschwadronen. Ihr fielen vor allem Arbeiterkader der PSP zum Opfer. Am schärfsten wütete die Diktatur im Osten der Insel, wo sich Castros Rebellenarmee formiert hatte. Zwischen der Provinzorganisation der PSP von Oriente und der Parteizentrale in Havanna gab es in der Frage einer Teilnahme am bewaffneten Kampf Meinungsverschiedenheiten. Besonders Proletarier, die der Partei nahestanden oder angehörten, forderten eine wirksamere Verteidigung ihrer Klasseninteressen. Auf unterer Ebene führte das zu einer Annäherung zwischen Revolutionären und Rebellen. Diese Konvergenz wurde von Historikern, die sich auf Divergenzen zwischen den Spitzen konzentriert hatten, oft übersehen. Der Druck aus Oriente führte schließlich dazu, daß beide Organisationen auch im nationalen Maßstab enger zusammenarbeiteten. Die PSP ging zur Unterstützung des bewaffneten Kampfes über.

Im März 1958 ernannte Fidel Castro den Eisenbahner Nico Torres aus Guantánamo zum Verantwortlichen für den Aufbau einer Nationalen Arbeiterfront (FON). Er sollte mit den Kommunisten der PSP über gemeinsame Aktionen beraten. Angesichts von Vorbehalten auf beiden Seiten war das keineswegs leicht. Doch schon fünf Monate später kam es zur Formierung der Vereinten Nationalen Arbeiterfront (FONU) unter Einschluß der Kommunisten. Die FONU organisierte zwei Arbeiterkongresse und entwarf Pläne für einen allgemeinen Streik der Zuckerarbeiter zur Verzögerung des Erntebeginns 1959.

Am Neujahrstag floh Batista. Ein von Millionen befolgter Streik fegte sein Regime innerhalb von Stunden hinweg, bevor der US-Botschafter seine Eingreifpläne verwirklichen konnte.

Wie ist der kommunistische Beitrag am kubanischen Befreiungsaufstand zu bewerten?

Der Hauptvorwurf, den ihre Gegner der PSP machten, lautet, die Partei sei erst auf den rollenden Zug aufgesprungen, als der Sieg bereits sicher war. Diese Behauptung läßt eine entscheidende Tatsache außer Betracht: Als sich die PSP im März 1958 für die Unterstützung des Guerillakampfes erklärte, war der künftige Triumph der Rebellen noch keineswegs abzusehen. Vor allem ignoriert diese These den fundamentalen Umstand, daß unzählige kubanische Kommunisten im langjährigen Kampf – nicht zuletzt durch die Verteilung von Millionen Flugblättern und Untergrundzeitungen – jenen Unmut der arbeitenden Massen, ganz wesentlich mit erzeugt haben, der in eine neue Qualität umschlug, als die überwiegende Mehrheit der Kubaner Fidels Aufruf zum Generalstreik am 1. Januar 1959 Folge leistete.

Die kühne und kluge Entscheidung der PCC-Führung, das Buch von Angelina Rojas über Kubas erste KP gerade am Vorabend des 6. Parteitages herauszubringen, spricht für sich.

Rotfuchs gestützt auf "The Socialist Correspndent", London

RotFuchs, Juni 2011