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Mit »Mongoose« gegen Fidel

Geschichte. Heute vor 50 Jahren befahl US-Präsident John F. Kennedy die zweite Invasion Kubas

Top Secret« und »Eyes Only« steht auf dem offenbar besonders geheimen Dokument, das US-Präsident John F. Kennedy vor genau 50 Jahren – am 30. November 1961 – nur an einen kleinen Kreis von Regierungsmitgliedern und Militärs in Washington schickte. Der erste und wichtigste Satz des Papiers forderte, alles nur Mögliche zu tun, um das »kommunistische Regime« in Kuba zu stürzen. Die sieben Vertrauten Kennedys waren: Außenminister Dean Rusk, Verteidigungsminister Robert McNamara, CIA-Direktor Allen Dulles, Justizminister und Präsidentenbruder Robert Kennedy, die Generäle Maxwell Taylor und Edward Lansdale sowie Präsidentenberater Richard Goodwin. Das geht aus den vom US-Außenministerium inzwischen veröffentlichten Dokumenten hervor, die allerdings selbst nach 50 Jahren immer noch geschwärzte Textpassagen enthalten.

An diesem 30. November ’61 gab Kennedy damit den offiziellen Startschuß für ein äußerst gefährliches militärisches Unternehmen, das den Codenamen »Mongoose« (Mungo) erhielt. Nach der zurückgeschlagenen Schweinebucht-Invasion vom April 1961 (siehe jW-Thema vom 15.4.2011) beschloß Washington also nur sechs Monate später einen zweiten Überfall auf Kuba unter Einbeziehung von Armee, Luftwaffe und Marine, der dann im Oktober 1962 direkt zur Raketenkrise führte.

Doch die Tatsache, daß der US-Präsident Ende November 1961 grünes Licht für das – wie es in den Geheimpapieren heißt – »Cuba project« gab, bedeutete nicht, daß die US-Regierung bis dahin untätig gewesen wäre. Im Gegenteil. Auch wenn man es kaum glauben möchte, aber das Kabinett Kennedy begann zusammen mit Pentagon und CIA bereits während der Schweinebucht-Invasion, nach Wegen und Möglichkeiten für einen erneuten Waffengang gegen die Karibikinsel zu suchen. Und das, obwohl die USA vor den Vereinten Nationen und in aller Welt als Aggressor am Pranger standen, verantwortlich waren für viele Tote, große Zerstörungen und den Bruch des Völkerrechts.

Präsident Kennedy versicherte zwar noch am 18. April 1961 – also während der Invasion, die vom 17. bis 19. April dauerte – in einem Brief an den sowjetischen Ministerpräsidenten und Generalsekretär der KPdSU, Nikita Chruschtschow: »Ich habe bereits zuvor festgestellt, und ich wiederhole es jetzt, daß die Vereinigten Staaten keine militärische Intervention in Kuba beabsichtigen«. Zur selben Zeit verlangte Justizminister Robert Kennedy aber schon den »Endkampf«, die entscheidende Kraftprobe mit Kuba. In einem Memorandum vom 19. April ’61 an den Präsidenten erklärte er, »die Zeit für ein Showdown ist gekommen«, denn Kuba sei für die USA wichtiger als »Laos, der Kongo oder irgend ein anderer Platz auf der Welt«. Washington sollte die Frage, »amerikanische Truppen nach Kuba zu schicken, (…) überdenken«.

Kennedy unter Schock

Natürlich war die US-Regierung nach dem Fiasko in der Schweinebucht auch mit dem Lecken ihrer Wunden beschäftigt. Das wird besonders deutlich auf der ersten Kabinettssitzung einen Tag nach der Niederlage. Sichtlich mitgenommen gab der stellvertretende Außenminister Chester Bowles am 20. April ’61 zu Protokoll: »Es war so grausig wie kein Treffen der Regierung, an das ich mich erinnern kann (…) Der Präsident war wirklich sehr erschüttert (…) Er litt unter einem akuten Schock.« Die Sitzung, so der Vizeaußenminister, sei »keine angenehme Erfahrung gewesen«. Er habe es auch als »höchst alarmierend« empfunden, daß die »militärisch-CIA-paramilitärischen Antworten« auf die Fragen nach dem weiteren Vorgehen bei der Kabinettssitzung »vorherrschend« gewesen seien. Zwei Tage später habe sich Gleiches auf der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) abgespielt, schrieb Bowles. Die Vorstellungen der wenigen Vernünftigen, die für Mäßigung gegenüber Kuba plädierten, seien »von den anwesenden Feuerfressern kurzerhand und brutal weggewischt worden«.

Was Chester Bowles mit den »militärisch-CIA-paramilitärischen Antworten« meinte, erfährt man ebenfalls am 20. April 1961 aus einem Memorandum (»Sensitive« – streng geheim) von Verteidigungsminister McNamara an den Chef des US-Generalstabs (JCS – Joint Chiefs of Staff), Lyman Lemnitzer, über die künftige Politik der US-Regierung gegenüber Kuba. Weil es ein wichtiges Dokument ist und weil es zeigt, wie detailliert nur einen Tag nach dem Fiasko in der Schweinebucht gedacht, geplant und eine neue Aggression vorbereitet wird und dabei sogar die möglichen Opfer schon in die Pläne einbezogen werden, hier das Papier im Wortlaut:

»Der Präsident hat verlangt, daß das Verteidigungsministerium einen Plan entwickelt für den Sturz der Regierung Castro durch die Anwendung militärischer Gewalt der Vereinigten Staaten. Der Plan sollte einschließen:

1. eine Einschätzung der Stärke der kubanischen Streitkräfte,

2. eine Einschätzung des voraussichtlichen Verhaltens der kubanischen Zivilbevölkerung während der Militäraktion,

3. eine Analyse von Alternativprogrammen für das Erreichen dieses Ziels; z.B. eine vollständige Blockade zu Wasser und in der Luft im Vergleich zu einer bewaffneten Invasion,

4. Für das empfohlene Programm:

a. eine detaillierte Aufstellung der nötigen US-Streitkräfte,

b. eine Zeittafel und Beschreibung der besonderen Aktionen, die für nötig gehalten werden, um das Ziel zu erreichen,

c. eine Schätzung der möglichen Opfer der USA und Kubas,

d. eine Schätzung der erforderlichen Zeit für das Gelingen der Aktion,

e. eine Liste der Eventualitäten, auf die wir während der Aktion vorbereitet sein sollten,

f. eine detaillierte Auflistung der aktionsfähigen Luft-, Boden- und Seestreitkräfte, die während der Zeit der Kuba-Operation in anderen Teilen der Welt verfügbar sind, und eine Einschätzung, in welchem Maße diese Kräfte potentielle militärische Konflikte in Laos, Südvietnam und Berlin bewältigen könnten.

Die Anforderung dieser Studie sollte nicht als Zeichen dafür interpretiert werden, daß eine US-Militäraktion gegen Kuba wahrscheinlich ist.

Bis wann könnte ich einen Entwurf Ihres Berichts über diese Sache erhalten?

Robert S. McNamara.«

Konfrontation in Berlin möglich?

Interessant ist auch der Hinweis in Punkt »f.« über den möglichen Zusammenhang zwischen der geplanten Invasion in Kuba und der Lage in Laos, Vietnam und Berlin. Die USA hatten zwar schon begonnen, sich mit »Militärberatern« in den Indochina-Konflikt einzumischen, aber die offene US-Intervention begann erst nach dem fingierten Tonking-Zwischenfall im August 1964 sowie der Bombardierung Nordvietnams und der Landung von Kampftruppen im März 1965. Und an welchen »potentiellen militärischen Konflikt« in Berlin mag das Pentagon am 20. April 1961 gedacht haben? Vielleicht an denselben, der das sozialistische Lager möglicherweise auch angesichts der brutalen US-Intervention in der Schweinebucht und – nur knapp vier Monate danach – zur Vermeidung eines militärischen Konflikts in Berlin zum Bau der Mauer bewogen hat? Anfang Mai ’61 machte Paul Nitze vom Außenministerium im Zusammenhang mit der US-Niederlage in Kuba deutlich, »daß traditionelle Punkte der Konfrontation – wie Berlin (…) – jetzt explosiver und gefährlicher werden könnten«.

In mehreren Dokumenten wird Ende April, Anfang Mai ’61 auch die Sorge der US-Regierung deutlich, daß die Menschen in der Dominikanischen Republik ihren seit 30 Jahren regierenden brutalen Diktator von US-Gnaden, Rafael Trujillo, genauso verjagen könnten wie die Kubaner zuvor Fulgencio Batista. So forderte die Arbeitsgruppe Kuba der US-Regierung in einer Vorlage für den NSC sofortige Vorbereitungen für die Entsendung von Truppen in die Dominikanische Republik, um eine »kontrollierte Revolution« von oben durchzuführen. Parallel dazu lief auf höchster Ebene ein bereits von Kennedys Vorgänger Dwight D. Eisenhower eingeleiteter und von Kennedy weiterverfolgter Plan, Trujillo umbringen zu lassen, da er sich weigerte, freiwillig abzutreten. Das übernahm die CIA, die die nötigen Waffen über Diplomatengepäck ins Land schaffte. Damit wurde Trujillo am 30. Mai 1961 ermordet.

Am 29. April ’61 konnte der Verteidigungsminister zusammen mit Admiral Arleigh Burke vom Generalstab der Teilstreitkräfte den neuen Kuba-Plan an Präsident Kennedy übergeben. Er sah, so McNamara in einem Memorandum am 1. Mai, eine Invasionsstreitmacht von »etwa 60000 Soldaten ohne Marine- und Luftstreitkräfte vor und erfordert 25 Tage vom Tag der Entscheidung für den Plan bis zum D-Day (dem Beginn der Operation, H. Sch.). Es wird erwartet, daß die vollständige Kontrolle der Insel in acht Tagen erreicht werden könnte…« Präsident Kennedy, so heißt es weiter, sei mit dem Entwurf des Planes einverstanden gewesen.

Kennedy bekräftigte seine Haltung am 5. Mai 1961 auf einer Sitzung des NSC – und das, obwohl sein persönlicher Referent Arthur Schlesinger warnte, daß sich laut einer aktuellen Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup 65 Prozent der US-Bürger gegen eine bewaffnete Invasion in Kuba ausgesprochen hatten. Unter Kennedys persönlicher Leitung beschloß der NSC: »Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba sollte auf den Sturz Castros gerichtet sein (…) Die USA sollten jetzt keine militärische Intervention in Kuba unternehmen, jedoch nichts tun, was die Möglichkeit der militärischen Intervention in der Zukunft verhindert.« Aufgrund des Desasters in der Schweinebucht legte die Kennedy-Regierung die Gesamtplanung für mögliche weitere militärische Operationen gegen Kuba und deren Durchführung, die bis dahin bei der CIA lag, in die Hände der Militärs.

US-Invasion »sicherer Weg«

Das hinderte die CIA jedoch nicht, am 19. Mai ’61 einen ausführlichen Vorschlag für Sabotagemaßnahmen in Kuba vorzulegen, der voll in den Invasionsplan integriert wurde und den der Geheimdienst mit der Feststellung einleitete: »Es scheint allgemeine Übereinstimmung zu sein, daß es keinen sicheren Weg gibt, das Castro-Regime zu überwältigen – außer mit einer militärischen Invasion durch die Vereinigen Staaten.«

In dem CIA-Papier heißt es im Abschnitt B: »Sabotageoperationen werden geplant und durchgeführt gegen Ziele wie (Erdöl)Raffinerien, Kraftwerke, Radarstationen, Radio- und TV-Installationen, strategische Straßenbrücken und Eisenbahnanlagen, Militär-, Marineanlagen und Ausrüstung, gewisse Industriebetriebe und Zuckerraffinerien.« Die vorgesehenen CIA-Teams sollten durch ein »Sabotagetrainingsprogramm« in entsprechenden Techniken geschult werden. Darüber hinaus wurde eine Ausweitung der »psychologischen Kriegführung« gegen Kuba unter Teilnahme der United States Information Agency (USIA) vorbereitet. Das inzwischen freigegebene CIA-Dokument weist immer noch mehr als 30 geschwärzte Zeilen auf. In einem zweiten Memorandum machte die CIA deutlich, daß sie für Sabotageoperationen in Kuba eine eigene »kleine Luftflotte einschließlich einiger Transportflugzeuge und Kampfbomber« unter anderem gegen »Raffinerien, Kraftwerke, Reifenfabriken« einsetzen könne.

Präsident John F. Kennedy hatte mit seiner Erklärung vom 5. Mai 1961, die Politik der USA gegenüber Kuba sollte weiterhin auf den Sturz Castros gerichtet sein, die Marschrichtung vorgegeben. Eines der Motive für Kennedy, so beschreibt es ein 1975 gebildeter Untersuchungsausschuß des US-Senats in seinem »Mordreport« (Alleged Assassination Plots involving Foreign Leaders, U.S. Government Printing Office 1975), sei gewesen, daß die Niederlage in der Schweinebucht, die nur zwei Wochen zurücklag, sowohl von der »Institution CIA« als auch vom Präsidenten persönlich als »Demütigung« empfunden wurde.

Die Monate Mai und Juni 1961 nutzte dann die CIA, einen neuen Sabotageplan nach den Direktiven des Weißen Hauses auszuarbeiten. Der wird jedoch am 8. Juli 1961 vom Assistenten Kennedys, Arthur Schlesinger, in einem Schreiben an den Leiter der Arbeitsgruppe Kuba und Präsidentenberater Richard Goodwin ziemlich brüsk zurückgewiesen. Offensichtlich unter Anspielung auf die Führung der Exilkubaner schreibt Schlesinger, mit diesem Plan »investieren wir unsere Ressourcen in Leute, die am wenigsten in der Lage sind, eine breite Unterstützung innerhalb Kubas zu bewirken«.

Überhaupt schien der persönliche Assistent des Präsidenten mit seinen Bundesgenossen in CIA und Exil nicht ganz glücklich zu sein. Einerseits brauchte er sie zwar für Sabotage- und Mordunternehmen gegen Kuba, auf der anderen Seite aber waren sie ihm zutiefst zuwider. Das geht auch aus einem »Memorandum für Präsidentenberater Goodwin« vom 9. Juni hervor. Außerdem macht es deutlich, welche Art von »Demokratie« der Inselrepublik nach einem Sieg dieser von der CIA trainierten Exilkubaner gedroht hätte.

CIA-Foltertraining für Einsatz

Im Memorandum schilderte Schlesinger, daß die CIA eine Terrorgruppe mit dem Namen »Operation 40« gebildet habe, die inzwischen 70 Mann stark sei und deren »angebliche Aufgabe es ist, die befreiten Territorien in Kuba zu verwalten«. Doch der zuständige CIA-Agent »trainiert die Mitglieder der Gruppe in Verhörmethoden dritten Grades, Folter und allgemeinem Terrorismus«. Die »liberalen« Kubaner in den Exilorganisationen nähmen zwar an, so Schlesinger, »der wirkliche Zweck der Operation 40 sollte ›das Töten von Kommunisten‹ sein«. Sie befürchteten jedoch, daß diese Killergruppe dann auch die Anführer ihrer eigenen Exil-Organisationen beseitigt und auf Kuba »eine rechte Diktatur errichtet«. All das, so Schlesinger, »hat die Zustimmung der CIA«. Allein die kubanische Exil­organisation Concilio Revolucionario Cubano (CRC), so geht aus Regierungsdokumenten hervor, erhielt jährlich 1,1 Millionen Dollar Unterstützung.

Mitte Juli 1961 formulierte die Sondergruppe (SG) des NSC erneut die Kernaufgabe der US-Kuba-Politik, an deren Verwirklichung mit Barack Obama inzwischen der elfte Präsident arbeitet: »Entwicklung einer Opposition gegen Castro und eines Regimes, das für die Vereinigten Staaten akzeptabel ist«. Am 3. August ’61 wird der Etat für die »Operation Mongoose« vorgelegt. Voraussichtliche Kosten der Invasion für sechs Monate: 5,36 Millionen, für zwölf Monate: 12,74 Millionen Dollar. Sicherheitsberater McGeorge Bundy präsentierte am 5. Oktober 1961 das Aktionsmemorandum »Nationale Sicherheit 100«, in dem sowohl die Planung für die verdeckten Operationen gegen Kuba enthalten ist als auch die zur »möglichen Entfernung von Castro von der kubanischen Bildfläche«. Bundy bestätigte 1975 vor dem Untersuchungsausschuß des Senats, daß dabei »eine der Möglichkeiten eindeutig der politische Mord war«. Der Sekretär der Sondergruppe, Thomas Parrot, stellte schriftlich fest, General Taylor habe ihm mitgeteilt, er würde es bevorzugen, »wenn das Interesse des Präsidenten an dieser Sache nicht (im Protokoll) erwähnt wird«.

Während der Präsident an der Universität in Seattle eine Vorlesung über Freiheit und Menschenrechte hielt, waren sein Bruder Robert Kennedy, Goodwin sowie General Edward Lansdale mit der Ausarbeitung des Interventionsprogramms beschäftigt, das später den Namen »Mongoose« erhielt. Goodwin übergab Anfang November an den Präsidenten das Konzept für eine »Kommandooperation« gegen Kuba und schlug vor, daß Justizminister Kennedy deren Gesamtleitung übernimmt.

In Vorbereitung des neuen Feldzugs gegen Kuba gab es im November 1961 auch wichtige Veränderungen in der Organisationsstruktur, die der »Operation Mongoose« eine bessere Schlagkraft verleihen sollten und auch zeigten, welche Bedeutung ihr die Regierung beimaß. Selbst das FBI, dessen Zuständigkeit eigentlich an den Grenzen der USA aufhört, war an der Vorbereitung von »Mongoose« beteiligt. Als erstes wurde die für verdeckte Operationen zuständige Sondergruppe des NSC um zwei Mitglieder erweitert und nannte sich jetzt »Special Group (Augmented)« (SGA). Zu den bisherigen Mitgliedern – darunter CIA-Chef John McCone und General­stabschef Lyman Lemnitzer – kamen noch Justizminister Robert Kennedy und General Maxwell Taylor. Der Präsident ernannte Taylor zum neuen Vorsitzenden der SGA. Als Gäste nahmen auch Außenminister Rusk und Verteidigungsminister McNamara an den Sitzungen der Gruppe teil. Der langjährige CIA-Chef Allen Dulles war gerade von Präsident Kennedy entlassen und durch McCone abgelöst worden.

Der »häßliche Amerikaner«

Doch die Entlassung von Dulles war nicht die einzige Auswirkung der fehlgeschlagenen Schweinebucht-Invasion. Da Präsident Kennedy dem Geheimdienst seitdem nicht mehr recht traute, wollte er jetzt »jemanden von außen« mit der Leitung des neuen Feldzugs gegen Kuba beauftragen. Selbst sein Bruder, wie es Goodwin vorgeschlagen hatte, schien ihm nicht die richtige Wahl. Und so bestimmte er General Edward Lansdale zum Chef von »Mongoose«. Robert Kennedy habe dennoch, so 1975 der Mordreport des Senats, »eine aktive Rolle in der Operation gespielt«.

Im Bericht des Senatsausschusses wird der Leiter der »Operation Mongoose« so beschrieben: »Lansdale hat sich in den Philippinen und in Vietnam einen guten Ruf erworben, weil er über die Fähigkeit verfügt, mit revolutionären Aufständen in unterentwickelten Ländern fertig zu werden.« Lansdale war so berüchtigt, daß er Graham Greene für seinen Roman »Der stille Amerikaner« und den Schriftstellern Eugene Burdick und William J. Lederer für das Buch »Der häßliche Amerikaner« als literarische Vorlage gedient haben soll.

CIA-Chef McCone gab die Zahl der Mitarbeiter am Projekt Kuba allein unter Lansdale – ohne die mehr als 400 CIA-Spezialisten und die 300 exilkubanischen CIA-Agenten in der »Mongoose«-Leitstelle Miami – vage mit »500 bis 1000« an. Das Terrorunternehmen wurde vom Pentagon geführt, wo Lansdale und die »Mongoose«-Gruppe ihre Arbeitsräume hatten. Der General selbst bezeichnete es in einem Brief an den NSC als Aufgabe der USA, den Kubanern dabei zu helfen, »ihr Land von einer Bande Kommunisten zurückzuerobern«.

Eine weitere organisatorische Auswirkung des neuen Anti-Kuba-Programms war die Bildung einer besonderen Einheit innerhalb der CIA, die ausschließlich für die »Operation Mongoose« arbeitete, alle Sabotagemaßnahmen gegen Kuba koordinieren, durchführen und die Konterrevolution vorbereiten sollte. Diese »Task Force W« genannte Gruppe, die letztlich unter Federführung des Nationalen Sicherheitsrats agierte, hatte mehrere hundert Mitarbeiter.

Zu ihrem Leiter wurde William Harvey ernannt, Hauptverantwortlicher in der CIA für das Mordprogramm gegen Castro. Harvey arbeitete schon 1951 für die CIA als Westberliner Agent und verdiente sich Lorbeeren beim Bau eines Spionagetunnels zum Anzapfen sowjetischer Telefonleitungen. Später leitete er eine kleine konspirative CIA-Gruppe, die auch in den Mord an Kongos Ministerpräsidenten Patrice Lumumba verwickelt war. Harveys Stellvertreter in der Miami-Station, Ted Shackley, hatte sich ebenfalls seine Sporen als CIA-Agent in Berlin erworben. Anfang der 70er Jahre war Shackley einer der Organisatoren des Putsches gegen Salvador Allende in Chile.

In den Wochen und Monaten nach Präsident Kennedys Startschuß für die »Operation Mongoose« am 30. November 1961 begann die Feinplanung der Invasion. Der Chef des Unternehmens, General Lansdale, benannte auch einen Zeitraum. Er formulierte genau acht Monate vor dem Beginn der Raketenkrise: »Ziel ist ein Aufstand, der in Kuba bis Oktober 1962 stattfinden kann …«.

Horst Schäfer

Der Journalist Horst Schäfer hat elf Jahre als Korrespondent der DDR-Nachrichtenagentur ADN in den USA gearbeitet. Er ist Autor des Buches »Im Fadenkreuz: Kuba« (Berlin 2007) über mehr als 50 Jahre Staatsterrorismus gegen die sozialistische Inselrepublik, das sich – wie auch dieser Artikel – im wesentlichen auf inzwischen zugängliche offizielle US-Dokumente von CIA, Pentagon, Außenministerium, Weißem Haus und den Gedenkbibliotheken der jeweiligen Präsidenten stützt

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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junge Welt, 30.11.2011